Fünf Jahre" IG Baaremer Baukultur"   

Zwischenbilanz einer engagierten Privatinitiative   

(Auszug aus einem Bericht im Almanach '97)  
Heimatjahrbuch Schwarzwald-Baar-Kreis 21.Folge  

 

Zurück zur Hauptseite !
 

 

 

Erhaltenswerte Bauten geraten oft in Vergessenheit. Dem Verfall preisgegeben, verkommen sie zum Schandfleck. Zugunsten freier Grundflächen werden sie abgerissen. Kulturhistorisch wertvolle Bauten und deren traditionelle, landschaftsprägende Architektur gehen so immer mehr und unwiederbringlich verloren. Aus Betroffenheit über diese Situation gründete sich vor fünf Jahren die "Interessengemeinschaft Baaremer Baukultur". 'Mitstreiter' für gemeinsame Aktivitäten zur Rettung noch vorhandener alter Baukultur suchten (und fanden) 1991 die Gründungsinitiatoren Hermann Sumser, Architekt aus Hausen vor Wald und die Donaueschinger Kunsthistorikerin Antonia Reichmann. Holger Schmitt (Bräunlingen), Eberhard Kern (Donaueschingen), Hans Venohr (Hondingen) sowie aus Geisingen der Architekt Markus Uhrig und die Theaterwissenschaftlerin Sabine Uhrig schlossen sich dieser Initiative an. Auf privater Ebene und durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit engagieren sich die sieben Mitglieder für das Ziel, die Baarbewohner im Umgang mit historischer Bausubstanz zu sensibilisieren und sie auf die Charakteristik erhaltenswerter Häuser aufmerksam zu machen.

Der Erhalt landschaftsprägender Dorfstrukturen ist ein weiteres Anliegen. Die Absicht, in "falsch verstandener Nostalgie dem Vergangenen nachzutrauern", bleibt bei diesem Engagement außen vor. Ihren 'Handlungsbedarf ' sieht die Interessengemeinschaft insbesondere in der Schutzwürdigkeit alter Gebäude, die mitunter auch der Denkmalschutz bereits aus den Augen verlor. Aufgrund eigener Sanierungserfahrungen werden finanzierbare Wege aufgezeigt, wie wertvolle Bauwerke ohne wesentlichen Verlust originaler Baudetails an heutige Wohnbedürfnisse angepaßt werden können. Zur Rettung vor Zerfall oder Abriß kauften bereits einige IG-Mitglieder vom Volksmund als "alte Hütten" bezeichnete Häuser auf und richteten sie in Eigenleistung zum bewohnbaren "Schmuckstück" her. Holger Schmitt beispielsweise: Er kaufte und renovierte 1988 den heruntergekommenen "Hölzlehof" in Bräunlingen.

  Hölzlehof bei Bräunlingen

Ein altes Hondinger "Leibgeding" rettete Hans Venohr vor dem Abbruch. Wie Holger Schmitt, renovierte auch Venohr in jahrelanger Feierabendarbeit sein Haus überwiegend unter Verwendung von Altbaumaterial: Balken, Holzdecken, Fußböden stammen aus Abrißhäusern.
 

   

    Leibgedinghaus Hondingen vor u. nach der Renovierung  

Die vorrangigste Aufgabe sah die "Interessengemeinschaft Baaremer Baukultur" kurz nach ihrer Gründung in der Erarbeitung einer "Bestandsaufnahme". Bei systematisch durchgeführten Exkursionen in die Baardörfer hielten sie deshalb Ausschau nach Relikten alter Handwerkskünste, nach erhaltenswerten Bauten und auch nach (bisher noch) vorhandenen Teilen intakter Dorfcharakteristik.1992 wurde Sumpfohren, kleinster Teil der Bregstadt Hüfingen, als erstes Dorf fotografisch und schriftlich im "Ist-Zustand" dokumentiert. Das Ergebnis präsentierte die IG Baukultur 1993 in einer Ausstellung dem Titel "Alt und Neu im Dorf- Ansicht ohne Aussicht?« im Sumpfohrener Farrenstall. Aus einem äußerst sensiblen und kritischen Blickwinkel wurde den Bewohnern die Schönheit ihres Dorfes vor Augen geführt - und auch die Gefahr der Vergänglichkeit dieser Idylle. Im Zuge der Gebietsreform und mit dem Verlust der Gemeindeselbständigkeit änderte sich das Leben auf den Dörfern. Landwirtschaftliche Betriebe wurden aufgegeben, Altes nach modernen Gesichtspunkten und städtisch orientierten Wohnvorstellungen umgebaut oder Neubauten erstellt. Auch Bauerngärten, heute vielerorts schon fast eine "Rarität«, wichen im Zuge der Dorfentwicklungsmaßnahmen breiten Gehsteigen und pflegeleichten Rasen-Vorgärten.
Insgesamt stellte die Gruppe bei ihren Dorfbesichtigungen "gewaltige Verluste der alten Bausubstanz« fest. Immer deutlicher wurde für auch die Diskrepanz zwischen dem, was sie als schön und erhaltenswert empfindet und gleichzeitig akut vom Abriß bedroht ist: Vom Zerfall gezeichnete Anwesen, verwitterte Schuppen und Scheunen, ausgetretene Steintreppen, zerbröckelnde Mauern, Jahrhunderte altes Kunsthandwerk meist durch Geringschätzung der Vergessenheit anheimgefallen. Daß zunehmend auch alte Baaremer Wirtshäuser mit getäferten Stuben und abgeschliffenen Holzböden, steinerne Brunnen oder ungeteerte Plätze aus kleinen Dörfern verschwinden, gehört ebenso zur Negativ-Bilanz der IG Baukultur. Intakte, ländliche Idylle und mancherorts auch ganze Altstadtensembles weichen zunehmend dem modernen Architektur-Zeitgeist.

Stellvertretend für viele andere von Dorfentwicklungsmaßnahmen gezeichnete Ortschaften, folgte 1995 am Beispiel der Blumberger Teilgemeinde Riedöschingen eine weitere Dokumentationsausstellung: "Ansicht ohne Aussicht? - 100 Jahre bauliche Entwicklung in Riedöschingen". Der 860-Einwohner-Ort kann als typisches "Dorf im Wandel der Zeit" gelten, geprägt von gravierendem Landwirtschaftsrückgang (1925: 165; 1995: 5 Haupt- und 25 Nebenerwerbsbetriebe) und dem damit einhergehenden Verlust dörflicher Strukturen. eine wertvolle Fotosammlung alter Dorfansichten, die der Riedöschinger Ortsvorsteher Hermann Barth sorgsam aufbewahrt, belegte diese Dorfentwicklungsgeschichte besonders eindrucksvoll. Davon überzeugt, daß "Reden und Schreiben zu wenig bewirken", legten die IG-Mitglieder 1994 an der sanierungsbedürftigen Geisinger Stadtmauer selbst Hand an. Sie sanierten sieben Meter (von insgesamt 300) des vom Zahn der Zeit angegriffenen, historischen Mauerwerks. Stück für Stück entfernten sie wildwuchernden Efeubewuchs, Mauerritzen wurden von den Architekten Sumser und Uhrig fachmännisch ausgeblasen und neu verfugt, ausgebrochene Basalt- und Kalksandsteine eingesetzt.


 

Moderne und Historie:
Thomas und Sabine Uhrig integrierten einen Teil
der Geisinger Stadtmauer
als wirkungsvolles Architekturdetail ins Haus.

Als "Basisarbeit« versteht die Gruppe die Weitergabe eigener Erfahrungen. An sanierungsinteressierte Altbaubesitzer werden beispielsweise bodenständige, im Umgang mit alter Bausubstanz geübte und sensible Handwerker vermittelt. Auch für die Zwischenlagerung und Beschaffung wertvollen Altbaumaterials hat die IG Baukultur Tips parat (Kontakt: 0771/7735). Immer wieder bringt die einerseits traurige Tatsache eines bevorstehenden Hausabrisses auch die Möglichkeit mit sich, wertvolle Stubentäferungen, Kachelöfen, Bodenplatten, Decken- und Balkenholz zu retten. Als kulturhistorisch wertvolle "Fundstücke« in eine Altbausanierung integriert, bleiben auf diese Weise Teile abgerissener Bauten erhalten. Zur Rettung eines abrißgefährdeten Hauses wurde mitunter auch die Möglichkeit des IG-Gemeinschaftskaufes in Erwägung gezogen. "Wer sich denkmalschützerisch engagiert, darf nicht nach dem Nutzen fragen, so lautet das Fazit der "Interessengemeinschaft Baaremer Baukultur". Und obwohl sie trotz Protest und Einspruch immer wieder Rückschläge durch nicht zu verhindernde Hausabbrüche hinzunehmen hat, wird diese Privatinitiative ihre Arbeit fortsetzen - die "Notwendigkeit des Handelns" ist dazu die beste Motivation.
 

Ingrid Rockrohr


Zurück zur Hauptseite