Interessengemeinschaft Baaremer Baukultur e.V.
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Alt und Neu im Dorf  
Text-Betrachtungen aus der Fotoausstellung Sumpfohren  - übertragbar auch für viele andere Orte der Baar


 Unsere Landschaft, die unbebaute und bebaute, verändert sich immer mehr . Grünflächen müssen Straßen, Gewerbegebieten und Wohnsiedlungen weichen. Überall vollzieht sich  im alten Dorf an der überlieferten Bausubstanz ein deutlicher Wandel. Hier  ist ein Prozeß in Gang gekommen, der durch die weitgehende Aufgabe der Landwirtschaft die Bedürfnisse seiner Bewohner von Grund auf verändert hat.

War das Dorf früher durch die Landwirtschaft geprägt, so verliert es immer mehr dieseBestimmung und wird zu einem "Schlafdorf"  ähnlich wie die Neubausiedlungen, weil die Dorfbewohner zum Arbeiten in die Stadt fahren. Und nicht nur sie sind zu Pendlern geworden,sondern schon die Erstklässler, die ins Nachbardorf oder gar in die Stadt in die Schule fahren müssen, ferner die Hausfauen, die kaum mehr Einkaufsmöglichkeiten finden, ja selbst oft die Bierdurstigen, weil sich in manchen Dörfern, wo früher zwei, drei Wirtschaften ihr Auskommen hatten, kaum mehr eine halten kann.

Dieser strukturelle und soziale Wandel vollzieht sich deutlich ablesbar an der Architektur. Das Bauernhaus im herkömmlichen Sinn hat ausgedient. Gefragt ist heute eine möglichst geräumige, komfortable Wohnung, die leicht zu reinigen ist. Vorbildcharakter besitzt das Neubauhaus. Scheinbar ohne Emotion und Trauer wird das Alte, über Generationen bewahrte auf die Müllhalde gefahren. Hochglanzprospekte aus dem Baumarkt stillen die neuen Bau- und Einrichtungswünsche.

Uraltes Kulturgut geht auf diese Weise für immer verloren und dieser Untergang kann mit dem lautlosen Aussterben von Tieren und Pflanzen verglichen werden...

Es ist es nicht unser Anliegen , in falsch verstandener Nostalgie Vergangenem nachzutrauern oder Verzicht auf zeitgenössischen Komfort zu predigen.

Wörter, die hier Wurzeln schlagen mögen, sind:

          o INTEGRATION und BESINNUNG, statt

          o TRENNUNG und VERDRÄNGUNG.

Zweifelsohne besteht die Möglichkeit einen alten Bau den geänderten Bedürfnissen gemäß ohne wesentlichen Verlust der alten Bausubstanz zu restaurieren. Nicht zwangsläufig ist eine solche Sanierung teuerer als ein Neubau.

Dies wird von Fall zu Fall neu beurteilt werden müssen und ist eng verknüpft mit den Ansprüchen und Bedürfnissen der Besitzer.

Unterstützung gibt es für den Erhalt auch von der öffentlichen Hand, aber leider sind manche Gesetze eher hinderlich, denn sie begünstigen oftmals eher die Zerstörung.

Entscheidend ist letztendlich die innere Einstellung zu diesen alten Gebäuden: ob der betreffende in Ihnen den mangelhaften Gebrauchswert und Zustand sieht oder die Schönheit und Einmaligkeit der Architektur, des Materials, des Details und gleichzeitig die Möglichkeiten, seine Bedürfnisse in diesem Gebäude zu verwirklichen. Es ist eine Frage der Sensibilität, des Wertbewusstseins, der Phantasie und auch der Erfahrung im Umgang mit historischer Bausubstanz. Man kann mit grossem Bauetat ein Gebäude kaputt-sanieren, so daß es seinen Charakter verliert oder mit bescheideneren Mitteln diesen Charakter wahren und dennoch oder gerade dadurch die wesentlichen Wohnbedürfnisse erfüllen. Insofern ist es in den meisten Fällen nicht eine Frage des Geldbeutels, "ob es sich lohnt", ein historisches Gebäude zu sanieren oder durch einen Neubau zu ersetzen, sondern der Analyse der Bausubstanz und der Qualität des Sanierungskonzeptes. Ersetzbar ist im Grunde kein einziges historisches Gebäude. Jeder Abbruch, jedes Beseitigen und Verfälschen historischer Bauelemente bewirkt einen Verlust an historischer, kultureller Substanz eines Ortes. Der Verlust ist umso schmerzlicher, als sich das heutige Bauen in der Masse vollzieht und weit überwiegend ohne erkennbare architektonische Qualität.  

Das Dorf in der Landschaft

Noch gibt es das selbstbewußte Dorf mit eigener Struktur, eingebettet in freies Land und nicht zum Vorort irgend einer Stadt verkommen, das  seine ausufernden, gesichtslosen Neubaugebiete den Gewerbeflächen der Nachbarstadt entgegenstreckt.

Alte Dörfer halten sich selber zusammen. Von außen sind sie durch Obstbaumwiesen undWetterbäume geschützt; sie zeigen Geschlossenheit und Nähe. Sie haben einen Dorfeingang und einen markanten Abschluß und einen Mittelpunkt mit Kirche und Wirtshaus. Das neue Dorf zerfließt, es franst aus - Bauerwartungsland für bundesdeutsche Einheitsbungalows. Die  besten Äcker und Wiesen werden zu Grundstücksparzellen zerschnipselt.

Die Landstraße

Kommt man von Behla nach Sumpfohren, so bewegt man sich auf einer der wenigen noch übriggebliebenen Landstraßen, die früher die Dörfer der Baar verbunden haben.

Dem Gelände möglichst angepaßt, in kurvigem Verlauf von Obstbäumen und Ebereschen gesäumt, die im Frühjahr und Herbst vor den Winden schützen, die Straßendecke inzwischen autogerecht asphaltiert, aber immerhin ohne Leitplanken, die Straßenbreite noch schmal, wie's allemal reicht, wo die Straße abfällt ein offener, grüner Wassergraben, wo die Sumpfdotterblumen wachsen. Raubvögel auf den Bäumen in Wartestellung, um das überfahrene Mäusewild zu vertilgen.

Die Dorfstraße

Die Dorfstraße heißt heute amtlich Ortsdurchfahrt und damit ist alles gesagt: mit aufwendigen Subventionsprogrammen wurde sie für das beschleunigte Durchfahren ausgebaut, kurz: dem städtischen Allerweltscharakter angepaßt, während in den Städten Kurven und Hindernisse eingebaut wurden, um den Durchgangsverkehr zu bändigen. Pflasterungen wurden durch Asphalt und Betonsteine ersetzt, während in den Städten solche Flächen durch Pflasterungen in Naturstein ersetzt wurden.  

Bäume im Dorf

Bäume haben es heute schwer. Oft stehen sie im Weg, nehmen Platz weg und müssen deshalb weichen. Doch Bäume können graue Dörfer zu Oasen machen. Bäume bringen Leben in die Straßen und um die Häuser. Sie sind Staubfänger, Schallschlucker und Sauerstofflieferanten. Hausbäume sind Laubbäume: Sie zeigen zu jeder Jahreszeit ein neues Bild. Und Laub ist der beste Kompost. Laubbäume spenden im Sommer Schatten und bringen angenehmes Kühl an das Haus: sie liefern Obst oder Nüsse zum Herbst und lassen im Winter Licht und Wärme hindurch. Und Winter ist bei uns das halbe Jahr.

Das Bauernhaus

Regionale Bautradition bestimmte das Aussehen des Bauernhauses. Geprägt wird das Dorf von den Hofanlagen der Vollbauern, von kleineren Tagelöhnerhäusern und vielerlei Nebengebäuden wie Scheunen, Schöpfe, Speicher, Bienenhäuser u.a.m.  Die verschiedenen Bauernhäuser spiegeln die damaligen sozialen Unterschiede wider. Der vorherrschende Gebäudetyp ist

das  "quer geteilte Eindachhaus". Hofanlagen, in denen das Wohnhaus gesondert vom Landwirtschaftsteil steht, bilden die Ausnahme.

Das Dach

Meist langgezogene Steildächer, die zwischen den Bäumen der Obstgärten aufragen, von hellverputzten Giebeln begrenzt, bestimmen von weitem die Ortsbilder.

Aus der Nähe betrachtet ist diese Dachwelt vielfältig zusammengesetzt. Das ursprüngliche Deckungsmaterial, die Holzschindel, ist auf den Dächern verschwunden; man findet sie nur noch an einzelnen Giebeln als verwitterte Wandbekleidung . Das Nachfolgematerial: der handgestrichene Tonziegel in Form eines Biberschwanzes bevölkert noch einzelne Dächer oder Dachpartien als letztes Dokument handwerklicher Ziegelproduktion:  gekrümmt, in vielerlei Färbung und Vernarbung. Die industriell gefertigten Nachkommen: großformatige Falzziegel mit unterschiedlichen Profilierungen , runden oder kantigen Wülsten ,dominieren bereits die alten Dächer. Oft sind unterschiedliche Arten auf einer Dachfläche versammelt, weil nur das wirklich schadhafte Material ersetzt wurde. Oft gibt der Flechtenbesatz den sonnenabgewandten Seiten einen dunkleren ,grauen, gelblichem ,grünlichen Anstrich.

Die Vielfältigkeit der Färbungen, Profilierungen und Alterungsstadien erzeugt den lebendigenReiz dieser Dachwelt. Den ewig jungfräulichen Reiz des Daches zu erhalten ,ist inzwischen die Baustoffindustrie angetreten:

 * Mit den engobierten Ziegeln brauner Färbung, deren Glanzbeschichtung die Augen blenden und die Nichtvernarbung auf Dauer garantiert.

 * Mit dem glatten naturroten Biber- oder Falzziegel, der den Flechten keinen Halt mehr bieten, mit dem Zement-Ziegel, der das Naturrot des gebrannten Ziegels als chemischen Farbzusatz enthält.    

So erobert die "Frankfurter Pfanne" oder "Römer-Pfanne" als naturroter Zementziegel gefärbt , strukturiert wie die historisch hier deplazierte "Mönch- und Nonnenpaarung" ,die Dachwelt der Baaremer Dörfer.

  Fenster

Die Aufteilung der Fenster an der Hausfront bestimmen wie Augen das Gesicht des Hauses. Große Glasscheiben waren früher teuer, daher entwickelte sich das Sprossenfenster mit demVorteil, daß bei Beschädigung nur ein kleines Glaselement gewechselt werden mußte. Das Fenster wird durch die Profilierung und Aufteilung der Sprossen mit Läden und Blumendekoration zu einem anziehenden Schmuck am Haus.

Haus und Garten

Zum Bauernhaus gehört der Hausbaum. Hausbäume sind Laubbäume. Sie zeigen die Jahreszeit an und werfen nur im Sommer Schatten. Warum stehen heute so viele Häuser kahl und nackt?

Neuerdings schwärmt man wieder für den guten alten Bauerngarten. Zum Glück haben kluge Bäuerinnen nach alter Tradition ihre altmodischen und heute wieder so begehrten Gewächse unbeirrt weitergepflegt. An ihren Gärten den Zeugen aus alter Zeit, können wir uns heute orientieren. Farbe, Duft, Gesundheit und Wohlgeschmack - statt Bodendecker, Abstandsgrün und Pflanzentrögen aus Beton.

Die  Haustür

Auf die Fertigung der Haustür als Eingang zum Haus wurde früher größte Sorgfalt gelegt. Heimische Handwerker, wie Schreiner, Drechsler und  Schmied zeigten daran ihr Können. Die Pflege oder gar Restaurierung dieser alten, handgefertigten Haustüren lohnt sich, weil sie im Gegensatz zu den modernen Alternativen aus den Katalogen unverwechselbare Einzelstücke darstellen und durch ihre handwerkliche Herkunft in Bezug zur Dorfgeschichte stehen.

Landwirtschaftliche Zubauten

Im ländlichen Raum stellten die landwirtschaftlichen Zubauten, wie Feldscheunen, Geräteschuppen, Bienenstöcke etc. ein wichtiges Glied in der ländlichen Struktur dar. Sie waren meist an den Dorfrändern angesiedelt, gaben der Dorfansicht ihr charakteristisches Gepräge und stellten das Bindeglied zwischen Dorf und Natur her. Die Vielfältigkeit der Zubauten spiegelt die Tatsache wider, daß der ländliche Raum weitgehend unabhängig war und alle Bedürfnisse des täglichen Lebens selbst abdecken konnte. Wie wichtig den Sumpfohrenern die Bauten waren, belegen liebevolle Details an diesen Zubauten wie sie für die Kulturlandschaft der Baar typisch sind. Ein Glücksfall, daß sie bis h

Mauern und Zäune

Mauern und Zäune trennen - sie grenzen ab,  unterstreichen das Mein und Dein. Auch der Mensch lebt heute gerne in Revieren. Zäune gab es früher meist nur um Weiden und Küchengärten zum Schutz für oder gegen Tiere. Mauern entstanden aus Bruch- und Lesesteinen und dienten ebenfalls dem Schutz. Mauern und Zäune sollten dem Gelände folgen nicht zwanghaft dem Rechten Winkel oder der Wasserwaage. Sie sollten aus Naturmaterialien bestehen: Mauern aus Bruchsteinen, Zäune aus naturbelassenem Holz. Eine Welt von Tieren und Pflanzen kann sich an ihnen ansiedeln. So können Mauern und Zäune auch Schmuckstücke in einer Siedlung sein.

Scheunen

Die Scheunen sind es vor allem , die dem Dorf sein ländliches Gepräge geben. Meist sind sie erheblich größer als die Wohngebäude und mit diesen unter einem Dach vereint. Durch die Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung ist der ländliche Charakter der Dörfer gefährdet, da die Scheunen häufig Platz schaffen müssen für ein weiteres Wohnhaus. Schade für das Dorf, Schade für die "stolzen" Besitzer des Neubaus, die eine Chance vertan haben, günstigen und individuellen Wohnraum in den Scheunen zu schaffen. In Dörfern im städtischen Einzugsbereich sind zum Teil beispielhafte Umnutzungen von Scheunen d. h. unter Beibehaltung aller für Scheunen charakteristischen Teile, wie Stadel und Scheunentor, durchgeführt worden und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Vielleicht sind im ländlichen Bereich die immer beliebter werdenen Scheunenfeste ein erfreuliches Zeichen für eine neue Wertung der Scheunen.  

Scheunentore

Der zweifellos markanteste Teil der Scheune ist das Scheunentor. Typisch ist der meistdreiteilige Auflbau, bei dem die eine Seite des Tores oben und unten getrennt zu öffnen ist. Hier  ist nicht nur der funktionale Charakter wichtig, sondern auch der optische Beitrag, den das Scheunentor zur Gliederung der langen Hausfassade beiträgt. Durch farbliche Gestaltung läßt sich diese Lebendigkeit noch besonders hervorheben, insbesondere wenn Tore und Fensterläden farblich korrespondieren.

Die Stube

In der Stube findet die bäuerliche Handwerkskultur ihren feinsten Ausdruck. Hier wurde auch Aufwand getrieben, um etwas darzustellen, soweit die Mittel vorhanden waren. Entsprechend drückt sich auch in der Stube, wie im gesamten Hof, der soziale Stand in der dörflichen Gesellschaft aus.

Fast allen Stuben gemeinsam ist die Lage an der Ecke des Wohnteils mit mindestens zwei gegenüberliegenden Fenstern, durch die das Licht von zwei Seiten durchdringt, der "Hergottswinkel" in dieser Ecke mit einem Sträußchen oder Palmwedel, die um die Ecke laufende Holzbank mit dem Stubentisch davor, an deren Wand zur Kücher der Kachelofen, von der Küche befeuert, zur Stube mit glasierten Kacheln eingefaßt, die Ofenbank und die

Ofenkunst, über dem Gestänge, um die Socken zu trocknen, der Küchenladen, um das Essen durchzuschieben.

Die Wände des kalten Bruchsteinmauerwerks sind mit Holz vertäfertt, wie die Decke, in einfacher Form mit breiten Holztafeln und Deckleisten, aufwendiger in Kassetten gegliedert mit profilierten Stäben, die Fensteröffnungen sind als tiefe Nischen mit sich nach innen erweiternden Laibungen und stichbogenförmigen Stürzen abgemagert, die Glasfenster mit zierlichen Sprossen gegliedert.

Es gibt in Sumpfohren noch ein spätgotische Stube mit gesprengten Bögen: ein Kunstwerk aus vergangener Zeit, aber auch die einfachen Stuben sind es wert, wieder entdeckt zu werden.  

Kirche und Kirchplatz

Über einige Stufen erreicht man den weiträumigen Kirchplatz mit altem Baumbestand. Durch ihre Lage im Dorfkern und ihre Größe ist die Kirche das markanteste Gebäude im Dorf . Alles überragt der Kirchturm mit seinem für die Baar typischen Staffelgiebel.

Wasser

Ein kleiner Bach erreicht, munter durch die Wiese schlängelnd, den Ortsrand und dort die Menschen. Sie begradigen ihn nehmen ihm das letzte Ufergrün, mauern ihn ein ,stauen ihn auf und lassen ihn schließlich unter einer Straße verschwinden. Vorbei ist's mit der schlängelnden Munterkeit. Früher war so ein fließendes Gewässer Lebensraum vieler Tiere und Pflanzen, diente dem Angeln, Waschen und Baden und brachte Wasser für das Vieh. Um Brunnen zu bauen, nahm man früher oft große Mühen auf sich, um das kostbare Naß verfügbar zu machen. So wie der Bach, so prägten die Brunnen das Erscheinungsbild eines Ortes wesentlich mit.Heute kommt das Trinkwasser bequem aus der  Leitung in jedes Haus und verschwindet wieder genau so als Abwasser.

 

 

Interessengemeinschaft Baaremer Baukultur e.V. in Donaueschingen  
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